Gebührengelder für Mainstream-Sender? Gegen eine Koppelung mit den Werbeeinnahmen

In: "Neue Zürcher Zeitung", 1. April 2005

Nach welchen Kriterien sollen Gebührengelder an private Radio- und Fernsehsender verteilt werden? Jost Wirz schlug an dieser Stelle vor, die Unterstützung nach der Summe der Werbeeinnahmen auszurichten. René Grossenbacher hält das für wenig sinnvoll. Er plädiert für eine inhaltliche Definition von regionalem «Service public» und die Honorierung von effektiven Programmleistungen.

Das Gebührensplitting ist ein medienpolitischer Sündenfall, weil damit die aktuellen Verhältnisse der elektronischen Medienlandschaft in der Schweiz auf Jahre hinaus zementiert werden und eine Dynamisierung verhindern. Schon unter der jetzigen Gebührensplitting-Regelung werden jedes Jahr mehrere Millionen an regionale Medienunternehmen vergeben, die über ein defacto- Monopol in ihren Marktgebieten verfügen. Diese Zuwendungen werden jetzt nochmals erheblich aufgestockt. Jost Wirz schlägt nun vor, die Gebührengelder proportional nach den Werbeeinnahmen zu verteilen. Dies sei ein einfaches Verfahren, die «Starken und Etablierten» würden gefördert und nicht die «Kleinstveranstalter» mit ihren «Hobby- und Feierabendprojekten». Aber wird daraus wirklich, wie Wirz insinuiert, eine reichere Medienlandschaft resultieren oder gar ein Gegengewicht zur SRG entstehen?

 

Innovationshemmend

Die pro Jahr zur Verteilung anstehenden 55 Millionen Franken dürften die kumulierten jährlichen Defizite aller regionalen privaten Radiound Fernsehstationen deutlich übersteigen. Dass unter diesen Umständen der warme Geldregen aus Bern kaum dazu beitragen wird, den Markt zu entwickeln und Innovationen zu fördern, liegt auf der Hand. Wer wird sich noch anstrengen, seinen Markt optimal zu erschliessen, wenn er seine Bilanz – wesentlich bequemer – mit Gebührengeld aufpolieren kann?

Wirz‘ Konzept der Förderung der Starken würde den Strukturerhaltungseffekt noch akzentuieren, denn es würde jene begünstigen, die bereits schon heute alle Vorteile auf ihrer Seite haben: Die Marktleader in den wirtschaftlich starken urbanen Räumen. Diese ziehen nämlich bereits heute mehr Werbegeld an, als ihrem Publikumsanteil entspricht. Ein taugliches Mittel, um der SRG mit ihrem Milliardenbudget ein Gegengewicht zu setzen, wäre es gleichwohl nicht, denn dafür reichen die 55 Millionen bei weitem nicht aus. Der Betrag ist aber immerhin gross genug, dass man über die Kriterien für dessen Verteilung, wenn es denn sein muss, noch etwas intensiver nachdenken darf.

Mit dem Gebührensplitting soll Service public abgegolten werden, das heisst programmliche Leistungen, die in öffentlichem Interesse sind, aber am Markt nicht finanziert werden können. Natürlich entspricht längst nicht alles, was über den Äther rauscht, dieser Definition. Dating- Shows, Late-Night-Erotik oder das Abspulen von Chart-Titeln gehören wohl eher nicht dazu. Vielleicht aber regionale politische Informationen, Sendungen für Kinder, lokale Kulturinformation Radio-Programmanalysen zeigen klar, dass es etwa hinsichtlich der Informationsleistung enorme Unterschiede zwischen den einzelnen Sendern gibt. Das frühere Radio Z hat kurz vor seinem Relaunch zu Energy während weniger als 15 Minuten pro Tag regionale Informationen ausgestrahlt, hingegen nahmen sogenannte Layout- Elemente (wie Jingles) eine Stunde in Anspruch! Zum Vergleich: Das kleine, aber in seinem Sendegebiet sehr erfolgreiche Radio Chablais berichtete täglich rund eine Stunde über regionales Geschehen. Gemäss dem Vorschlag von Wirz würde nun ein städtisches Mainstream-Radio, wie es das ehemalige Radio Z darstellte, allein aufgrund seiner Werbeeinnahmen ein Mehrfaches der Gebührengelder des kleinen Radio Chablais erhalten – eine überaus groteske Vorstellung.

 

Inhaltliche Kriterien nötig

Qualität und Vielfalt kommen in den Programmen zum Ausdruck, nicht in den Werbeeinnahmen. Diese spiegeln nämlich in erster Linie die Wirtschaftskraft einer Region. Wenn das Gebührensplitting nicht nur Strukturerhaltung betreiben, sondern auch zur Qualität und Vielfalt der elektronischen Medienlandschaft beitragen soll, führt kein Weg dran vorbei, den Service public inhaltlich zu definieren und effektiv erbrachte Programmleistungen zu honorieren. Mit den modernen Instrumenten der Programmanalyse steht das Werkzeug zur Verfügung, um die Programminhalte, die eine Förderung beanspruchen können, zu ermitteln und auf eine vergleichbare Basis zu stellen. Dieser Ansatz räumt allen Anbietern – zumindest bei der Gebührenverteilung – gleich lange Spiesse ein, sowohl den Starken und Etablierten als auch den Schwachen und Newcomern.

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