Vielfältige Zürcher Privatradiolandschaft

Die Zürcher Privatradios unterscheiden sich nicht nur durch die Musikformate, sondern auch durch stark unterschiedliche Gewichtung der Information und thematische Akzente. Für mehr Programmvielfalt sorgen vor allem die beiden Newcomer: Radio 1 und Radio 105. Das grösste regionale Informationsangebot ist aber nicht bei einem Privatradio zu finden, sondern beim Regionaljournal von Radio DRS.

Publicom untersucht seit 2009 im Auftrag des Bakom die Privatradioprogramme in der Schweiz. Die Erhebung 2010 konzentrierte sich auf den Wirtschaftsraum Zürich.

Die Privatradiolandschaft der Region Zürich umfasst sechs Stationen, die sich in einem hoch kompetitiven Umfeld bewegen. Die untersuchten Sender verfolgen dabei je unterschiedliche Programmstrategien mit teilweise deut­lich unterscheidbaren Profilierungen. Am klarsten grenzen sich die bei­den in der letzten Konzessionierungsrunde neu zugelassenen Radio 1 und Radio 105 von den bestehenden Sendern ab. Das mit einer speziellen Konzession ausgestattete „Jugendradio“ 105 versucht mit einem hohen Anteil junger Musik und wenig Information ein jugendliches urbanes Zielpublikum anzusprechen. Radio 1 dagegen wendet sich mit einem breiten, professionellen Informationsangebot und einem weitgehend aus Oldies bestehenden Musikprogramm an ein älteres, informationsaffines Publikumssegment in der städtischen Agglomeration. Die vier anderen Radios positionieren sich zwischen diesen beiden Extremen, wobei sie sich vor allem durch die geografische Ausrichtung und das Musikformat voneinander abgrenzen.

Die unterschiedlichen Programmkonzeptionen tragen insgesamt zu einer beachtlichen Vielfalt in der (privaten) Radiolandschaft bei. Gleichwohl gibt es auch viele Gemeinsamkeiten. Musik ist bei allen Zürcher Privatradios auch in der Prime Time der wichtigste Programminhalt. Auffällig ist ausserdem die geringe Stilvarianz in den Musikformaten – die starke Konzentration auf Pop-Stile und internationale Hits wird kaum je durch­brochen. Im Bereich der Information ist das Bemühen aller Stationen zu erkennen, nicht nur über regionale, sondern auch über die wichtigsten nationalen und internationalen Ereignisse zu berichten.

Unterschiedlicher Stellenwert der Information

Der Stellenwert der Information ist bei Radio 1 mit über einem Fünftel der Gesamtprogrammzeit in der untersuchten Prime Time klar am höchsten. Bei Radio 105 machen Informationen nur gerade 7% aus. In den anderen Programmen liegt der Informationsanteil zwischen 16% (Radio Zürisee) und 12% (Energy Zürich). Thematisch unterscheiden sich die einzelnen Informations­angebote teilweise beträchtlich. Zwar spielt Politik bei allen Sendern eine zentrale Rolle und umfasst zwischen 22% (Energy Zürich) und 30% (Radio 24) des Informationsumfangs, doch werden andere Themenbereiche zum Teil sehr unterschiedlich gewichtet: Der Anteil der Sportberichterstattung fluktuiert zwischen 6% (Radio 1) und 22% (Radio 24). Gesellschaftsthemen erreichen den höchsten Anteil bei Radio 105 (24%), den geringsten auf Radio 24 (10%), während Kultur zwischen 3% (Radio Top) und 10% (Energy Zürich) beansprucht. Den emotionalisierenden Bad News und Human Interest Themen räumen alle untersuchten Radios vergleichsweise viel Platz ein – mehr als in den anderen, bisher untersuch­ten Regionen der Schweiz. Am wichtigsten sind solche Themen aber bei Radio 1, wo sie mit 29% des Informationsangebots den wichtigsten Informationsinhalt überhaupt darstellen. Generell wird deutlich, dass die Sender zum Teil über sehr unterschiedliche Ereignisse berichten bzw. diese höchst unterschiedlich gewichten. Auch dies trägt insgesamt zur thematischen Vielfalt bei.

In der Regel wird Information hauptsächlich in Form von Nachrichtenbulletins, in denen Meldungen und kurze Statements dominieren, vermittelt. Doch gibt es in der Informationsaufbereitung ebenfalls unterschiedliche Ansätze, von denen wiederum Radio 1 und Radio 105 die gegensätzlichsten Konzepte repräsentieren: Der Jugendsender 105 konzentriert sich auf Newsbulletins mit wenigen, inhaltlich stark reduzierten Kurzmeldungen und setzt darüber hinaus auf Strassenumfragen, Interviews und Studiogespräche. Demgegen­über vermittelt Radio 1 ausführliche Informationen in Form von Nachrichten und setzt darüber hinaus ein variantenreiches Formenspektrum ein, das auch Kolumnen und andere meinungsorientierte Formen, sowie häufige Expertenin­terviews umfasst.

Das Geschehen im Versorgungsgebiet gewichten die Sender unterschiedlich. Mit Ausnahme von Energy Zürich, das dem regionalen Geschehen einen hohen Stellenwert einräumt, gewichten die Radios mit Standort in der Stadt Zürich das nationale und internationale Geschehen deutlich höher. Die ländlich orientierten Radio Zürisee und Radio Top legen das Schwergewicht auf die Regionalinformation. In Zeiteinheiten gemessen hat Radio 105 mit 9 Minuten am Werktag klar die schwächste regionale Informationsleistung. Die Werte der anderen Privatradios liegen zwischen 17 Minuten (Radio 24) und 26 Minuten (Radio Top). Das in Zeiteinheiten mit Abstand grösste regionale Informationsangebot stellt indessen Radio DRS bereit, das mit seinem Regionalprogramm während derselben Untersuchungsperiode während 39 Minuten regionales Geschehen thematisiert.

Stadtsender konzentrieren sich auf städtisches Geschehen

Die in der Konzession festgeschriebene Forderung nach einer umfassenden Berücksichtigung des Versorgungsgebietes vermag kaum ein Sender zu erfüllen[1], da generell eine Privilegierung der geografischen Nähe zu beobachten ist. Insbesondere die stadtbasierten Sender fokussieren stark auf das Geschehen in der Stadt Zürich, während die restlichen, zum Versorgungs­gebiet gehörigen Gebiete allenfalls sporadisch berücksichtigt werden. So widmen die beiden mit dem grössten Versorgungsgebiet ausgestatteten Stationen, Radio 1 und Radio 24, nur gerade 10% ihres Informationsange­bots dem regionalen Geschehen ausserhalb der Stadt Zürich. Mit zunehmender geographischer Distanz zum Senderstandort sinkt zudem die Wahrscheinlichkeit, von den Stadtsendern wahrgenommen zu werden. Die zum Konzessionsgebiet der beiden Stationen gehörenden KR Linthgebiet oder Glarnerland erhalten in der Untersuchungswoche praktisch keine Beachtung. Ein breiteres Visier haben die beiden „Landradios“ Zürisee und Top, für welche die Stadt Zürich eine deutlich geringere Rolle spielt. Aber auch diese Stationen schenken ihren Standort-KR (Zürich bzw. Weinland/Winter­thur) weitaus mehr Beachtung als den entfernteren Gebieten des Konzessionsgebietes. Dieses Ergebnis zeigt, dass die konzessionsrechtliche Forderung nach umfassender Abdeckung des Versorgungsgebietes in einem schwer auflösbaren Widerspruch mit der Nachrichtenwertlogik steht.

Mit der Transparenznorm gehen die Privatradios der Region Zürich sehr unterschiedlich um: Bei Energy Zürich kann sich das Publikum am besten über die Informationsurheber (Quellen) und die Art und Weise, wie das Radio sich Zugang zu diesen Quellen verschafft (Quellenzugang), ein Bild machen. Eine Quellenangabe fehlt nur in 14% der Informationsbeiträge, und der Quellenzugang wird in über der Hälfte der Informationsleistung klar. Fast ebenso transparent informiert Radio 1. Beide Privatstationen liegen damit punkto Transparenz noch etwas vor dem Regionalprogramm von DRS 1. Viel sorgloser gehen die anderen Privatradios mit der Quellentransparenz um. Am häufigsten ungenannt bleibt die Quelle bei Radio Zürichsee (35%) und Radio 24 (30%). Der Quellenzugang bleibt sehr oft bei Radio Top (66%) und Radio 24 (65%) im Dunkeln.

Grosser Einfluss der SVP auf Berichterstattung der Privaten

Werden Akteure und Quellen nach politischer Richtung analysiert, wird deutlich, dass über alle Zürcher Privatradios betrachtet, vor allem SVP und SP berücksichtigt werden – mit klaren Vorteilen für die SVP. Die SVP hat in der Untersuchungswoche – im Vorfeld der Abstimmung zur Ausschaffungsinitiative –  in allen sechs Privatradios die stärkste Präsenz als Akteur. In vier Radios hat sie auch den grössten Einfluss als Quelle. Am stärksten ist die SVP-Domi­nanz bei Energy Zürich und Radio Top. Die anderen Privatradios präsentieren ein breiteres Spektrum an politischen Richtungen. Ein anderes Muster zeigt sich beim Regionalprogramm von Radio DRS. Dieses konzentriert sich zwar ebenfalls stark auf Akteure und Quellen der beiden Polparteien, allerdings mit einem deutlichen Fokus auf der SP. Inwieweit diese Ergebnisse mit besonderen (subregionalen) Ereigniskon­stellationen, Zufälligkeiten der Untersuchungs­woche oder den Selektions­routinen der Redaktionen zusammenhängen, muss jedoch offen bleiben.

Die verschiedenen Meinungen und Perspektiven zu einem kontroversen Sachverhalt kann eine Redaktion auch als Dienstleistung für Rezipienten im unmittelbaren Ereigniskontext aufzeigen. Diese Chance ergreifen die untersuchten Privatradios in unterschiedlicher Weise. Radio 1 und Radio 24 zeigen ihren Hörern vergleichsweise häufig verschiedenen Perspektiven und Meinungen zu einem kontroversen Thema auf. Radio 105 und Energy Zürich gelingt dies in Bezug auf verschiedene Meinungspositionen auch relativ gut. Die geographisch eher ländlich ausgerichteten Radio Zürisee und Radio Top hingegen verschaffen ihren Hörern viel seltener die Gelegenheit, sich unmittelbar einen Überblick über verschiedene Positionen zu einem kontroversen Sachverhalt zu verschaffen. Der Vergleich mit dem Regionalprogramm von Radio DRS zeigt aber, dass der öffentliche Sender noch seltener auf andere Meinungen verweist.

 


[1] Die Konzession von Radio 105 enthält keine diesbezügliche Bestimmung

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